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Kommunalwahlen in der Mongolei
Kurs der Regierungspartei wird bestätigt

Mitte Oktober fanden in der Mongolei die Kommunalwahlen statt. Ebenso wie bei den Parlamentswahlen im Juni 2020 hatte die regierende Mongolische Volkspartei (MVP) Erfolg. Auch die Opposition, die Demokratische Partei (DP), schnitt in einigen Provinzen gut ab.

  • Wahlbeteiligung
  • Verteilung der Sitze
  • 2-Block-System 
  • Eine dritte Kraft
  • Wahlausgang und Ausblick

Bereits bei den jüngsten Parlamentswahlen Ende Juni 2020 verbuchte die regierende Mongolische Volkspartei (MVP) einen überwältigenden Erfolg. Nun entschied sie auch die Kommunalwahlen Mitte Oktober 2020 für sich und stellt erneut den Oberbürgermeister in der Hauptstadt Ulaanbaatar sowie 13 der 21 Gouverneure in den Provinzen. Die größte Oppositionskraft – die Demokratische Partei (DP) – erzielte ebenfalls überraschend einen beachtlichen Erfolg in acht Provinzen, durch die indirekte Unterstützung des Staatspräsidenten (DP). Eine neue politische Kraft - die Nationale Arbeiterpartei (NAP) - kann hoffen, sich zukünftig als dritte Kraft in den politischen Kräfteverhältnissen zu etablieren, da sie erstmals Sitze im nationalen und in der Hauptstadtversammlung erringen konnte.

Wahlbeteiligung und Covid-19

Obwohl Covid-19 das öffentliche Leben einschränkt, nahmen am 15. Oktober 2020 rund 2,1 Millionen mongolische Wählerinnen und Wähler ihr Recht wahr, bei den Kommunalwahlen abzustimmen.

Da die Mongolei bereits sehr früh drastische Maßnahmen zur Abschottung des Landes und gegen die Verbreitung des Virus einführte, wurden bisher relativ wenige Infizierte gemeldet. Damit konnten die Wahlberechtigten auch bei den Kommunalwahlen, rund vier Monate nach den Parlamentswahlen, ohne erschwerende Hygieneauflagen erneut an die Urne gehen, um in der Hauptstadt Ulaanbaatar und in den 21 Provinzen abzustimmen. Die Wahlbeteiligung lag im Landesdurchschnitt bei knapp 56 Prozent, bei etwa 63 Prozent in den Provinzen und lediglich ca. 48 Prozent in der Hauptstadt. Die Stimmabgabe der etwa 916 000 Wahlberechtigen in Ulaanbaatar war damit im Vergleich zum Landesdurchschnitt am geringsten und setzte so den Abwärtstrend aus den vergangenen Jahren fort. Das neue Gesetz zu den Kommunalwahlen vom Januar 2020 hatte Mindestbeteiligung und Mindeststimmenanteil abgeschafft.

Verteilung der Sitze

Die MVP gewann 34 der 45 Sitze in der Hauptstadtversammlung und damit die gleiche Sitzanzahl wie vor vier Jahren. Die oppositionelle DP erhielt lediglich acht Sitze, drei weniger wie bisher. Diese drei Sitze gingen an die NAP, die nun zum ersten Mal mit Fraktionsstatus vertreten ist. In acht von neun Stadtbezirksparlamenten erzielte die MVP die absolute Mehrheit, nur im zentralen Stadtbezirk Sukhbaatar gewann die DP. Verglichen mit den Ergebnissen von vor vier Jahren bedeutet dies für die DP einen Verlust von zwei Stadtbezirken.

In 13 von insgesamt 21 Aimags (Provinzen) des Landes stellt die regierende MVP die Gouverneure, während die DP in acht Provinzen (Arkhangai, Bulgan Khuvsgul, Gobi-Altai, Sukhbaatar, Mittelgobi, Suedgobi und Uvs) die Wahlen für sich entscheiden konnte. Damit erzielte die DP einen beachtlichen Erfolg nach der Niederlage im Sommer (mit 11 Sitzen im Parlament) und im Vergleich zur Wahl vor vier Jahren. In der Legislaturperiode zwischen 2016 und 2020 stellte sie nur neun Abgeordnete im nationalen Parlament und hatte lediglich in zwei Provinzen die Mehrheit. Auch in den Bezirksstädten (Sums) konnte sich die DP gut neben der MVP positionieren (184 Sums gehen an die MVP – 146 Sums an die DP).

Die Kandidaten

Insgesamt stellten sich landesweit 17 161 Kandidaten aus neun Parteien, Bündnissen oder als unabhängige Kandidaten für die kommunalen Wahlen auf. In der stark umkämpften Hauptstadt Ulaanbaatar standen sich sechs Parteien und Bündnisse gegenüber. Verglichen mit den nationalen Parlamentswahlen im Sommer 2020 konkurrierten jetzt wesentlich weniger politische Parteien, Bündnisse und unabhängige Kandidaten. Dies war eine Konsequenz aus den Erfahrungen, die man durch die Parlamentswahlen und die politischen Tagesgeschäfte seit der Bildung der neuen Regierung gesammelt hatte. Mit der im Folgenden geschilderten Strategie wollte man versuchen, vielen Kandidaten, die gerne für ihre Wahlkreise antreten wollten, eine erfolgreiche Wahl zu ermöglichen.

Mitte Oktober 2020 fanden in der Mongolei Kommunalwahlen statt. Rund 56 Prozent der Wähler gingen zur Wahl.

Mitte Oktober 2020 fanden in der Mongolei Kommunalwahlen statt. Rund 56 Prozent der Wähler gingen zur Wahl.

Alexander Birle

Bildung eines 2-Block-Systems

Nach den für sie enttäuschenden Ergebnissen bei den Parlamentswahlen nahmen die unzufriedenen Parteien Gespräche und Verhandlungen untereinander auf. Sie überlegten, wie sie nun gegen die übermächtige Regierungskraft der MVP erfolgreicher antreten könnten. Das neue Führungsduo der DP mit dem Interimsvorsitzenden und Abgeordneten Ts. Tuvaan und Hauptstadt-Interimsparteichef D. Purevdavaa übernahm die Federführung der politischen Verhandlungen. Dabei stimmte es sich mit dem früheren Staatspräsidenten N. Enkhbayar, Leiter des Wahlbündnisses “Unsere Koalition” (Mongolische Revolutionäre Volkspartei, Zivilcourage-Grüne Partei, Mongolische Vereinigte Traditionspartei) und dem ehemaligen DP-Abgeordneten J. Batzandan, Leiter des Wahlbündnisses „Neue Koalition“ (Partei der Bürgerunion für Gerechtigkeit, Republikanische Partei, Partei für Wahrheit und Richtigkeit, Mongolische Nationale Demokratische Partei) ab. Sie beschlossen, dass sie keine Gegenkandidaten in den Wahlkreisen aufstellen und nicht gegeneinander konkurrieren würden. 

So stellten die DP 37 und die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) acht Kandidaten der 45 Kandidaten in Ulaanbaatar auf. Drei von ihnen gehörten während der Parlamentswahlen im Juni der Neuen Koalition an und traten dieses Mal als DP-Kandidaten an. Den Kern dieser Koalition bilden die früheren DP-Politiker und -mitglieder, die keinen Sitz bei allen bisherigen Wahlen für sich verbuchen konnten. Diese Art der Zusammenarbeit wurde später auf die Provinzen übertragen. Die Wahlergebnisse in den acht Provinzen mit bisheriger DP-Mehrheit zeigten den Erfolg dieser Strategie. Auch die meisten unabhängigen Kandidaten der Parlamentswahlen im Juni 2020 verzichteten auf ihre Kandidatur bei den Kommunalwahlen, um ein Gegengewicht gegenüber der MVP zu ermöglichen. Somit war der Weg frei für einen 2-Block-Wahlkampf zwischen der MVP und der DP.

Die Verhandlung zwischen der DP und der NAP vom Bündnis Right Person Electorate brachte kein klares Ergebnis. Die NAP-Führung unter dem neuen Abgeordneten T. Dorjkhand blieb kühn und kündigte an, dass die NAP allein zu den Wahlen antrete und einzig in Ulaanbaatar kandidieren werde.

Eine dritte Kraft in der mongolischen Parteienlandschaft

Im Ergebnis erzielte die 2011 gegründete Partei NAP mit ihrer sozialdemokratischen Orientierung den „bescheidenen“ Erfolg, dass sie drei Sitze in der Hauptstadtversammlung und 12 Sitze in Stadtbezirksvertretungen gewinnen konnte. Nach den Wahlen traten die neuen NAP-Abgeordneten geschlossen vor die Medien und verkündeten öffentlich, dass ihre Partei nun die drittstärkste politische Kraft im Lande sei. In den kommenden vier Jahren würde sie starke Oppositionsarbeit leisten, auch um der schwachen DP eine gezielte Konkurrenz zu sein. Die NAP verfügt noch über keine landesweite Struktur und hat bisher regionalen Charakter, mit überwiegender Aktivität in der Hauptstadt. Die NAP hat dennoch mit ihrem Wahlergebnis die Mongolische Revolutionäre Volkspartei (MRVP) von N. Enkhbayar und das Neue Bündnis von J. Batzandan überholt und damit deren politischen Spielraum erheblich verkleinert.  

Bei der mongolischen Kommunalwahl waren landesweit mehr als 17 000 Kandidaten in neun Parteien oder als Unabhängige aufgestellt.

Bei der mongolischen Kommunalwahl waren landesweit mehr als 17 000 Kandidaten in neun Parteien oder als Unabhängige aufgestellt.

Alexander Birle

Indirekter Wahlkampf zwischen dem Ministerpräsidenten und dem Staatspräside

Die Analyse des kurzen, aber intensiven Wahlkampfs der beiden großen Parteien lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Kommunalwahlen ein Stimmungstest für die Bewertung der ersten 100 Tage der MVP-Regierung von Ministerpräsident U. Khurelsukh gewesen waren und einen Vorgeschmack auf die bevorstehende Präsidentschaftswahl im Mai 2021 geboten haben. Der Ministerpräsident U. Khurelsukh (MVP) und Staatspräsident Kh. Battulga (DP) legten großen Wert auf diese Wahlen und führten ihre Wahlkämpfe im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen.

Der Ministerpräsident

Beide waren seit den Parlamentswahlen im ganzen Land unterwegs. Der Ministerpräsident warb um Unterstützung auf kommunaler Ebene für seine Regierungspolitik, die sich zum Ziel gesetzt hatte, einerseits die wirtschaftliche Stagnation durch die Pandemie zu überwinden und andererseits den Aufbau von Großprojekten im Energie-, Infrastruktur- und Landwirtschaftsbereich voranzutreiben. Stabilität und Kontinuität des Wirtschaftswachstums und der Gesellschaft könnte – so die Hoffnung - durch erfolgreiches Abschneiden in ländlichen Regionen und Kommunen erreicht werden. So besuchte er überwiegend Industrieregionen und Ballungszentren. Dabei erklärte er seine Kernpolitik für die nächsten vier Jahre und darüber hinaus: Mit einer konsequenten wirtschaftlichen Investitions- und Förderpolitik könne sich das Land in 8 - 12 Jahren mehr leisten und sich in den genannten Bereichen selbst versorgen und so die Importabhängigkeit maßgeblich verringern. Dass auch die Parlamentsabgeordneten der MVP den Wahlkampf in der Hauptstadt verstärkt in ihren Wahlkreisen mitgestalteten, um ihre Basis im Hinblick auf die nächsten Parlamentswahlen 2024 zu stärken, führte zu einem geschlossenen politischen Team.

Der Staatspräsident

Der Staatspräsident Kh. Battulga (DP) besuchte in den vergangenen dreieinhalb Monaten ebenfalls alle 21 Provinzen. Er sprach sich für eine effektive und rasche Umsetzung der Wirtschaftsprojekte mit Fokus auf dem Schienennetz- und Straßenbau sowie auf Wasserkraftwerksprojekte aus. Die landwirtschaftliche Rohstoffverarbeitung bleibt weiterhin sein Kernthema, da er sich in diesem Bereich bereits als Minister für Landwirtschaft und Leichtindustrie und als Minister für Verkehr und Transport stark engagierte. Er unterstrich, dass er zwar die Regierung von U. Khurelsukh unterstütze, aber gleichzeitig Druck ausübe, um eine zügige und effektive Wirtschaftserholung und –entwicklung zu erreichen. Die staatliche Ordensverleihung für unzählige Bürgerinnen (vor allem für Mütter mit mehr als vier Kindern) und Bürger während seiner Tour und das kritische und geschickte TV-Interview vor dem Wahltag im öffentlich-rechtlichen Fernsehen beeinflusste stark die Stimmung der Wählerschaft zugunsten der DP, für die 2017 erfolgreich für das Präsidentenamt kandidiert hatte. Man kann vermuten, dass er im nächsten Jahr noch einmal für das Präsidentschaftsamt kandidieren möchte. Das gute Abschneiden der DP bei den Kommunalwahlen wird ihm eine bequeme Grundlage verschaffen.

Auch die Opposition, die Demokratische Partei (DP), war in acht Provinzen erfolgreich.

Auch die Opposition, die Demokratische Partei (DP), war in acht Provinzen erfolgreich.

Alexander Birle

Wahlausgang und Ausblick

Die MVP

Der Generalsekretär der MVP D. Amarbayasgalan und Vorsitzender des MVP-Hauptstadtverbandes und Parlamentsabgeordneter D. Sumyabazar gaben auf der Pressekonferenz am Tag nach den Kommunalwahlen bekannt, dass die Mehrheit der Bevölkerung der MVP erneut das Vertrauen ausgesprochen und somit den politischen Auftrag zur konsequenten Weiterführung des Regierungsprogramms der Partei bekräftigt habe. Die Partei werde unverzüglich die Aufgabe erfüllen, den Oberbürgermeister in der Hauptstadt und die Gouverneure in den 21 Provinzen zu stellen sowie die bevorstehenden Aufgaben und Herausforderungen zur Überwindung der wirtschaftlichen Schwierigkeiten und des nahenden Winters verantwortungsvoll zu übernehmen. Die vollständige Umsetzung des Regierungsprogramms stehe nun im Vordergrund. Da der bisherige Oberbürgermeister von Ulaanbaatar ins nationale Parlament gewählt wurde, muss ein Nachfolger gefunden werden. Ob der Kandidat aus der Wunschliste des Ministerpräsidenten oder aus dem „Hauptstadt-Flügel“ der MVP stammen wird, bleibt noch offen und wird parteiintern geregelt. Laut MVP soll ein Oberbürgermeister vorgeschlagen werden, der über Erfahrung zur Bewältigung der Probleme in der Stadt verfügt und „gesetzestreu und patriotisch“ seine Aufträge erfüllen kann.

Parteiinterne Spannungen aus der vergangenen Legislaturperiode sind noch nicht vollständig überwunden. Ein weiterer Erfolg bei der bevorstehenden Präsidentschaftswahl hängt davon ab, inwieweit Parteichef und Premierminister U. Khurelsukh das innerparteiliche Machtgefüge im Griff hat und gleichwohl die aktuellen Herausforderungen vor der Regierung in kurzer Zeit meistern kann. Die Besetzung der Gouverneursposten bestimmen zwar die jeweiligen kommunalen Parlamente de-jure, der Ministerpräsident wird aber de-facto seine Macht ausüben, da er die Vorgeschlagenen auf diesen Posten bestätigen wird. 

Einschätzung der DP

Im Gegenzug zu der MVP teilte der Interimschef der DP Ts. Tuvaan und Fraktionsvorsitzende im nationalen Parlament D. Ganbat mit, dass die Wahlen nicht fair genug verlaufen seien. Die Opposition habe einen schweren Wahlkampf gegen Staatseinrichtungen führen müssen, der der regierenden MVP gedient habe. Die Opposition habe die rechtswidrigen Fakten während des Wahlkampfes gesammelt und werde diese bei der Justiz einreichen. Das Gesamtergebnis sei ein klares Signal und Ausdruck dafür, dass das mongolische Volk der Demokratie weiterhin treu bleibe und der DP in ihrer schwierigen Zeit den Rücken nicht gekehrt habe. Deren Juniorpartner, die MRVP, äußerte sich radikal negativ zu den Wahlergebnissen und gab bekannt, insbesondere die Wahlen in der Hauptstadt nicht anzuerkennen. Sie verlangt eine komplette Wiederholung der Abstimmung. Der aussichtsreichste Kandidat der MRVP E. Batshugar, der Sohn von Parteichef N. Enkhbayar, verlor deutlich gegen die Kandidaten der MVP wie bereits vor vier Monaten bei den Parlamentswahlen. Die politische Aktivität des früheren Staatspräsidenten verliert dadurch weiterhin stark an Gewicht. Tendenziell wird er wohl künftig eine marginale Rolle spielen.

Die DP kündigte an, starke Oppositionsarbeit zu leisten und gleichzeitig die Reformen in der Partei und in den eigenen Reihen fortzuführen. Der Termin für den großen Parteitag der DP steht bereits fest: Am 16. November soll die neue Parteispitze gewählt bzw. bestätigt werden. Schon nach dem Rücktritt des Vorsitzenden S. Erdene und dessen Ausscheiden als Abgeordneter haben mehrere Politiker öffentlich angekündigt, für den Parteivorsitz kandidieren zu wollen. Nach welchem Verfahren der neue Parteivorsitzende gewählt wird, bleibt derzeit intern strittig. Es ist jedoch sicher, dass der Staatspräsident Kh. Battulga dabei eine maßgebende Rolle spielen wird. Die Wiedervereinigung mit den kleinen Splitterparteien aus den vergangenen Jahren wird ebenso ein wichtiges Thema bleiben in Hinblick auf die nächste Präsidentschaftswahl in etwa 7 bis 8 Monaten.

Autor: Tsevelmaa Batmunkh

Nordost- und Zentralasien
Veronika Eichinger
Leiterin