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Nach Präsidentschaftswahlen
Politisches Chaos in Rumänien

Autorin/Autor: Benjamin Bobbe

Wahlmanipulationen in Rumänien haben dazu geführt, dass das Verfassungsgericht durch einstimmige Entscheidung den ersten Wahlgang annulliert und eine Wahlwiederholung angeordnet hat.

Im Mittelpunkt des für Rumänien einmaligen Vorgangs steht der Überraschungssieger des ersten Wahlgangs, Călin Georgescu. Nur eine Woche vor der Wahl lag Georgescus Zustimmung bei 5 %, er galt unter den 13 Kandidaten als einer von vielen Exoten. Sein erster Platz mit 22,95 % der Stimmen versetzte das politische Establishment und weite Teile der Gesellschaft in Schockstarre. 

Dies zeigt, wie unzuverlässig Umfragen in Zeiten von Social Media sein können. Wählermeinungen können sich schnell ändern, wenn Künstliche Intelligenz und mutmaßlich illegale Praktiken der Meinungsbeeinflussung eingesetzt werden – und Russland mit seiner hybriden Kriegsführung dahintersteht.

Der Rechtspopulist Călin Georgescu stellt sich den Fragen der Journalisten. Dem Politiker wird vorgeworfen die Präsidentschaftswahlen in Rumänien mit Hilfe Russlands manipuliert zu haben.

Der Rechtspopulist Călin Georgescu stellt sich den Fragen der Journalisten. Dem Politiker wird vorgeworfen die Präsidentschaftswahlen in Rumänien mit Hilfe Russlands manipuliert zu haben.

Xinhua/Imago

Rechtsextreme und Populisten im Aufschwung

Georgescus Reden, die sich teils mit faschistischen Ideen aus der rumänischen Vergangenheit decken, sind antiwestlich und pro-russisch geprägt. Er lobte Figuren wie Ion Antonescu, den Diktator während des Zweiten Weltkriegs, und Corneliu Zelea Codreanu, Führer der faschistischen „Eisernen Garde“.  Auch die EU und die Unterstützung der Ukraine kritisierte er und bezeichnete das NATO-Raketenabwehrsystem in Deveselu als „Schande für die Diplomatie“. 

Der Rechtspopulist profitierte davon, dass er alle zehn Kernpunkte der Checkliste der Rumänisch-Orthodoxen Kirche für einen glaubenskonformen Präsidentschaftskandidaten erfüllte. Teile der Kirche, die in Rumänien eine bedeutende gesellschaftliche Rolle spielt, sind pro-russisch eingestellt und sehen im orthodoxen Moskauer Patriachat und Russland einen Verbündeten in Glaubensfragen und Werten.

Vor der Wahl stand ein anderer rechtsextremer Politiker im Fokus: George Simion, Führer der Partei Allianz für die rumänische Einheit (AUR).: Meinungsumfragen sagten voraus, dass er unter den Spitzenkandidaten sein würde. Bei den Parlamentswahlen erzielte die AUR ein starkes Ergebnis und wurde mit 19,2% der Stimmen zweitstärkste Kraft hinter der sozialdemokratischen PSD (26,1%) und vor der Nationalliberalen Partei PNL (15,9 %).

Experten führen den Erfolg der extremen Rechten als Folge tiefer Enttäuschung vieler Wählerinnen und Wähler über die derzeitige Regierung und die traditionellen Parteien. Faktoren wie die hohe Inflation und die große Zahl armutsgefährdeter Menschen in Rumänien bieten einen fruchtbaren Boden für den Einfluss pro-russischer Netzwerke.

Russlands Rolle in Georgescus Wahlkampf

Rumäniens Oberster Rat für Nationale Verteidigung (CSAT) hatte, basierend auf Analysen der Sicherheitsbehörden, Berichte über Georgescus Wahlkampf veröffentlicht. Bereits am 1. Dezember hatte das Projekt Infolight.UA der Hanns-Seidel-Stiftung aufgedeckt, dass Georgescus Kampagne massiv von sozialen Medien wie TikTok und Telegram profitierte. Diese Plattformen, teils von Russland kontrolliert, setzten Künstliche Intelligenz, Bots und gezielte Werbung ein. Finanziert durch große Geldsummen, steuerte ein Netzwerk mit über 25.000 Accounts die Kampagne (erfahren Sie hier mehr zum Projekt Infolight.UA).

Ziel war es Georgescu als einzigen Kandidaten darzustellen, der für innenpolitische Stabilität und Unabhängigkeit in einem politisch instabilen Umfeld sorgen kann. Erkannt wurden Ähnlichkeiten mit russischen Operationen in anderen Ländern, wie der "Brother next to Brother"-Kampagne, die unmittelbar vor der Invasion in der Ukraine durchgeführt wurde. 

Gerichtsentscheidung führt zum Neustart

Wie es für Georgescus politisch weitergeht ist unklar. Ermittlungen zur Meinungsbeeinflussung und illegaler Wahlkampffinanzierung werden über seine politische Zukunft entscheiden. 

Die für die Stichwahl qualifizierte zweitplatzierte Kandidatin des ersten Wahlgangs, Elena Lasconi von der liberalen Partei USR, die nur mit wenigen Tausend Stimmen vor dem drittplatzierten aktuellen Premierminister Ciolacu von der PSD landete, kritisierte die Entscheidung zur Annullierung. Die gelernte Journalistin punktete mit Bürgernähe und einem sauberen Image in einem ansonsten männlichen Kandidatenfeld. Alle Parteien, besonders die in einer Koalition regierenden traditionellen Parteien PSD und PNL, haben nun die Chance, sich personell neu aufzustellen. Der Bewerbungsprozess um das höchste Staatsamt und die Kandidatenwahl beginnt nun von vorne. Insofern hat die Entscheidung des Verfassungsgerichts, das den Wahlausgang zunächst bestätigt hatte, auch eine politische Dimension. Die Karten werden somit neu gemischt. Eine neue Wahl könnte im März 2025 stattfinden.

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Leiter: Benjamin Bobbe
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