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Blick von außen
Die Europäische Union als sicherheitspolitischer Akteur

Autorin/Autor: Andrea Rotter, M.A.
, Maria Geyer

Die neue Europäische Kommission wird vor großen Aufgaben stehen, vor allem im Bereich der Sicherheits- und Verteidigungspolitik. Hier hat die EU in den letzten Jahren große Fortschritte gemacht.

Allerdings liegt die Zuständigkeit nach wie vor bei den Mitgliedstaaten, weshalb Lösungen für mehr europäische Handlungsfähigkeit gefunden werden müssen – nicht um die NATO zu ersetzen, sondern um den europäischen Pfeiler in der transatlantischen Sicherheitspartnerschaft zu stärken.

Noch konstituiert sich die Europäische Kommission, jedoch wird sie schnell in den Arbeitsmodus übergehen müssen. Neben der Lösung der Migrationsfrage steht auch die künftige Sicherheits- und Verteidigungspolitik im Vordergrund. Der Ukraine-Krieg, die Bedrohung durch Russland und die künftigen Beziehungen zu den USA angesichts der bevorstehenden Präsidentschaftswahlen im November stellen die europäische Sicherheitsordnung vor gravierende Herausforderungen. Auch wenn inzwischen klar ist, dass die Jahre der Friedensdividende vorbei sind und Europa selbst mehr Verantwortung für seine eigene Sicherheit übernehmen muss, bleibt der Weg dorthin steinig.

Einige Fortschritte, aber…

Seit Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine im Februar 2022 hat die EU bereits wichtige Schritte unternommen, um auf die sicherheitspolitische Zäsur zu reagieren und verteidigungspolitisch handlungsfähiger zu werden: die Finanzierung von militärischem Gerät und Munition mittels der Europäischen Friedensfazilität, eine Ausbildungsmission für ukrainische Soldatinnen und Soldaten (EUMAM UA) sowie Schritte zur gemeinsamen Rüstungsbeschaffung (EDIRPA) oder zur Verbesserung der Reaktions- und Produktionsfähigkeit der europäischen Verteidigungsindustrie (ASAP). Darüber hinaus hatte die EU bereits vor Kriegsbeginn wichtige Initiativen wie die Koordinierte Jährliche Überprüfung der Verteidigungsplanung (CARD), die Ständige Strukturierte Zusammenarbeit (PESCO) oder den Europäischen Verteidigungsfonds (EDF) auf den Weg gebracht, um die Gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP/CSDP) effektiver zu gestalten. Allerdings fehlt es hier – bis auf wenige Ausnahmen – nach wie vor an großen, überzeugenden Erfolgen, die die europäische Handlungs- und Verteidigungsfähigkeit grundlegend verbessern.

Sicherheit und Verteidigung als europäische Gemeinschaftsaufgabe

Die EU bleibt bei allen Entscheidungen im Sicherheits- und Verteidigungsbereich weiterhin auf ihre Mitglieder angewiesen, die neben divergierenden nationalen Interessen Souveränitätsverzichte in diesem für die staatliche Sicherheitsvorsorge sensiblen Gebiet scheuen. Gerade wegen der fortbestehenden Fragmentierung in der GSVP ist es aber notwendig, die Rolle der EU auf lange Sicht zu stärken, um etwa durch gemeinsame Beschaffungsprojekte eine bedarfsorientierte und kosteneffizientere Fähigkeitsentwicklung zu ermöglichen, eine innovative und international wettbewerbsfähige europäische Verteidigungsindustrie zu fördern und in einem komplexer gewordenen geopolitischen Umfeld für ein größeres sicherheitspolitisches Gewicht der EU zu sorgen. Voraussetzung dafür ist, dass die Mitgliedstaaten Sicherheit und Verteidigung noch stärker als bisher als europäische Gemeinschaftsaufgabe begreifen und Schritte zur Stärkung der Handlungsfähigkeit auf EU-Ebene unternehmen. Es geht aber keineswegs darum, die NATO zu ersetzen. Der Krieg in der Ukraine hat die unverzichtbare Rolle des Bündnisses für die Sicherheit und Verteidigung Europas unterstrichen. Vielmehr gilt es, durch mehr europäische Handlungs- und Verteidigungsfähigkeit den europäischen Pfeiler in der transatlantischen Sicherheitspartnerschaft zu stärken – eine Forderung, die unter jedem neuen US-Präsidenten aus Washington kommen wird.

Ob und inwieweit die jüngsten Initiativen, wie die kürzlich verabschiedete Strategie für die Verteidigungsindustrie der EU (EDIS), oder das angedachte Amt eines EU-Verteidigungskommissars hierfür ausreichen, bleibt abzuwarten. Grundlage ist allerdings, dass sich die neuen Verantwortlichen nicht auf den erreichten Fortschritten ausruhen, sondern die Rolle der EU als glaubhafter Sicherheitsakteur konsequent vorantreiben.

The new European Commission will face major challenges, particularly in the area of security and defence policy. The EU has made great progress in this area in recent years. However, the responsibility still lies with the member states, which is why solutions must be found for more European capacity to act – not to replace NATO, but to strengthen the European pillar in the transatlantic security partnership.

The European Commission is still in the process of being set up, but it will have to get into working mode as soon as possible. In addition to resolving the migration issue, the future security and defence policy will be at the forefront. The war in Ukraine, the threat from Russia, and the future relationship with the United States in light of the upcoming presidential elections in November pose serious challenges to the European security order. Even though it is now clear that the years of the peace dividend are over and that Europe must take more responsibility for its own security, the road ahead remains rocky.

 

Some progress, but…

Since the start of Russia’s war of aggression against Ukraine in February 2022, the EU has already taken important steps to respond to the drastically changed security environment and become more capable in defence policy: financing military equipment and ammunition through the European Peace Facility, establishing a training mission for Ukrainian soldiers (EUMAM UA), and taking steps towards joint arms procurement (European Defence Industry Reinforcement through Common Procurement Act, EDIRPA) or improving the responsiveness and production capacity of the European defence industry (Act in Support of Ammunition Production, ASAP). Even before the war, the EU had launched important initiatives to make the Common Security and Defence Policy (CSDP) more effective. These included the Coordinated Annual Review on Defence (CARD), the Permanent Structured Cooperation (PESCO), and the European Defence Fund (EDF). However, with a few exceptions, there has been a lack of major, convincing successes that would fundamentally improve Europe’s ability to act and defend itself.

 

Security and defence as a common European responsibility

The EU remains dependent on its members for all decisions in the area of security and defence, which, in addition to diverging national interests, are reluctant to relinquish sovereignty in this sensitive area of national security. However, it is precisely because of the continuing fragmentation of the CSDP that it is necessary to strengthen the role of the EU in the long term, e.g. to enable demand-driven and more cost-effective capability development through joint procurement projects, to promote an innovative and internationally competitive European defence industry, and to ensure that the EU has greater security policy weight in a geopolitical environment that has become more complex.

The prerequisite for this is that the member states see security and defence even more strongly than before as a common European responsibility and take steps to strengthen their ability to act at the EU level. However, this is by no means about replacing NATO. The war in Ukraine has underscored the indispensable role of the Alliance in Europe’s security and defence. Rather, it is about strengthening the European pillar of the transatlantic security partnership through a greater European capacity for action and defence – a demand that will come from Washington under any new US president.

It remains to be seen whether and to what extent recent initiatives, such as the recently adopted EU Defence Industry Strategy (EDIS) or the planned office of an EU Commissioner for Defence, will be sufficient. It is important, however, that the new leaders do not rest on their laurels but consistently promote the EU’s role as a credible security actor.

 

 

 

Der Blick von außen

Unter der Rubrik „Der Blick von außen“ wirft die Hanns-Seidel-Stiftung einen Blick jenseits des eigenen nationalen Tellerrandes und bittet internationale Expertinnen und Experten nach ihren Einschätzungen zu Fragestellungen von außen- und sicherheitspolitischer Relevanz.

Redaktioneller Hinweis

Die nachfolgenden Meinungsbeiträge spiegeln ausschließlich die Haltung der Autorinnen und Autoren wider.

 

 

Léo Péria-Peigné, Research Fellow, Security Studies Center, Institut français des relations internationales

Léo Péria-Peigné, Research Fellow, Security Studies Center, Institut français des relations internationales

©Ifri

Französische Perspektive

„Jetzt, da jeder Bürger die unmittelbare Bedrohung der europäischen Sicherheit sieht, könnte es genügend Anreize für eine tatsächliche Lösung auf europäischer Ebene geben.“

Förderung einer stärker europäisierten Verteidigungsbasis

Zwei Jahre nach Kriegsbeginn in der Ukraine sind die Fähigkeiten der EU zur Bewältigung von Sicherheits- und Verteidigungsfragen nach wie vor begrenzt. Sie hatte vor COVID jedoch auch nur beschränkte Kompetenzen, was Gesundheitsfragen anbelangt. Die aktuelle Krise scheint für die EU daher eine wertvolle Gelegenheit zu sein, angesichts von Notlagen und Engpässen ihre Relevanz unter Beweis zu stellen. Die meisten europäischen Länder haben Mühe, ihre Waffen- und Munitionsproduktion zu verbessern, um den ukrainischen Bedarf zu decken, während die gestiegenen Entwicklungs- und Produktionskosten für moderne Waffensysteme europäische oder zumindest multinationale Lösungen immer attraktiver machen.

Bisherige gemeinsame Programme, wie der A400M oder der NH90, stießen auf viele Hindernisse und erzielten gemischte Ergebnisse, mit zusätzlichen Kosten und Verzögerungen, die den theoretischen Vorteilen eines gemeinsamen Prozesses widersprachen. Man kann jedoch sagen, dass diese Programme in Friedenszeiten durchgeführt wurden, mit Partnern, die ebenso an industriellen Ausgleichsleistungen wie an der Herstellung von militärischem Gerät interessiert waren. Jetzt, da jeder Bürger die unmittelbare Bedrohung der europäischen Sicherheit sieht, könnte es genügend Anreize für eine tatsächliche Lösung auf europäischer Ebene geben, um die Streitkräfte des Kontinents mit den Waffen auszustatten, die sie benötigen, um einem potenziellen Konflikt hoher Intensität zu begegnen. Da ein dringender Bedarf besteht, kann die EU das Subsidiaritätsprinzip nutzen (und tut dies auch bereits), um auf eine stärker europäisierte technologische und industrielle Verteidigungsbasis (DTIB) hinzuwirken. Auf diese Weise kann die EU – über industrielle und wirtschaftliche Fragen – Verteidigungsthemen besser angehen und letztlich ihrer Rolle als Sicherheitsakteur gerecht werden.

“Now, as every citizen sees the imminent threat to European security, there may be sufficient incentive for an actual European-scale solution.”

Promoting a more Europeanised defense base

Two years into the war in Ukraine, the EU still has limited capabilities to tackle security and defense issues. However, just as it had a limited grasp of health issues before COVID, the current crisis seems to be a valuable opportunity for the EU to prove its relevance in the face of emergencies and shortages. Most European nations have been struggling to improve their arms and ammunition production to meet Ukrainian needs, while the increased development and production costs of modern weapons systems make European, or at least multinational, solutions more and more attractive.

Previous common programs, such as the A400M or the NH90, met many obstacles and achieved mixed results, with additional costs and delays that contradicted the theoretical benefits of a mutualized process. But one can say that these programs were led in peacetime, with partners as interested in industrial offsets as in producing military-grade equipment. Now, as every citizen sees the imminent threat to European security, there may be sufficient incentive for an actual European-scale solution to provide the continent’s armed forces with the weapons they need to face a potential high-intensity conflict. Since there is an urgent need, the EU can (and in fact already does) use the subsidiarity principle to push for a more Europeanised defense technological and industrial base (DTIB). This is a way for the EU, through industrial and economic issues, to better address defense issues and, ultimately, to fulfill its role as a security actor.

 

 

Dr. Ronja Kempin, Senior Fellow, Research Division EU/Europe, German Institute for International and Security Affairs (SWP)

Dr. Ronja Kempin, Senior Fellow, Research Division EU/Europe, German Institute for International and Security Affairs (SWP)

© SWP

Deutsche Perspektive

Autoren: Max Becker und Dr. Ronja Kempin

„Die neuen Verantwortungsträger in der EU müssen ein Dilemma lösen: Einerseits muss Europa um die Solidarität der USA kämpfen, andererseits müssen sich die EU und ihre Mitgliedstaaten darauf vorbereiten, sich notfalls selbst zu verteidigen.“

Ein zweifaches Dilemma

Im Angesicht der russischen Vollinvasion der Ukraine sind die EU und ihre Mitgliedstaaten über sich hinausgewachsen: Russland belegen sie mit den weitreichendsten Sanktionen der EU-Geschichte, die Ukraine statten sie mit immer wirksameren militärischen Fähigkeiten aus und erstmals werden im Rahmen einer GSVP-Operation Streitkräfte ausgebildet, die anschließend aktiv kämpfen werden. Darüber hinaus stellt die Entscheidung der scheidenden EU-Kommission, Haushaltsmittel der Union für Verteidigungszwecke zu nutzen, eine Zäsur dar.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten einmal mehr feststellen, dass sie ohne die Unterstützung der USA nicht gegen einen Aggressor vom Schlage Putins bestehen können. Die Jahrzehnte, in denen die EU-Staaten von ihrer Friedensdividende gelebt haben, haben dazu geführt, dass sie seit Monaten kaum mehr Fähigkeiten an die Ukraine abgeben können. Die Produktionskapazitäten hochzufahren nimmt mehr Zeit in Anspruch, als gedacht, neue Fähigkeiten sind kurzfristig nur auf dem Weltmarkt zu bekommen.

Die neuen Verantwortungsträger in der EU müssen ein Dilemma auflösen: Einerseits muss Europa um die Solidarität der USA kämpfen, andererseits müssen sich die EU und ihre Mitgliedstaaten sicherheits- und verteidigungspolitisch so aufstellen, dass sie sich im Zweifelsfall (zumindest vorübergehend) eigenständig verteidigen können. Dazu bedarf es in erster Linie neuer Ansätze in der Abschreckungspolitik – politischer, finanzieller und industrieller Natur.

“The new EU leaders must resolve a dilemma: on the one hand, Europe must fight for US solidarity; on the other hand, the EU and its member states must prepare to defend themselves if necessary.”

A two-fold dilemma

In the face of Russia’s full-scale invasion of Ukraine, the EU and its member states have surpassed themselves: they are imposing the most extensive sanctions in EU history on Russia, equipping Ukraine with increasingly effective military capabilities, and for the first time, under a CSDP operation, training forces that will subsequently engage in active combat. Furthermore, the decision by the outgoing EU Commission to use Union budget funds for defense purposes marks a turning point.

However, it is also true that the EU and its member states once again find that they cannot stand up to an aggressor like Putin without the support of the USA. The decades in which EU states have lived off their peace dividend have resulted in them being barely able to provide any more capabilities to Ukraine for months. Ramp-up production capacities take more time than expected, and new capabilities can only be acquired on the world market in the short term.

The new leaders in the EU must resolve a dilemma: on the one hand, Europe must fight for US solidarity; on the other hand, the EU and its member states must position themselves in terms of security and defense policy so that they can defend themselves independently (at least temporarily) in an emergency. This requires new approaches in deterrence policy – of a political, financial, and industrial nature.

 

 

Dr. Jack Janes, Senior Fellow, German Marshall Fund of the United States, 
President Emeritus, American-German Institute, Johns Hopkins University, Washington, D.C.

Dr. Jack Janes, Senior Fellow, German Marshall Fund of the United States, President Emeritus, American-German Institute, Johns Hopkins University, Washington, D.C.

© privat

US-amerikanische Perspektive

„Die Sicherheit des transatlantischen Bündnisses ist keine Nullsummengleichung. Sie erfordert die gemeinsame Stärke beider Seiten des Atlantiks.“

Keine Nullsummengleichung

Die Sicherheit des transatlantischen Bündnisses ist keine Nullsummengleichung. Sie erfordert die gemeinsame Stärke beider Seiten des Atlantiks. In den letzten 75 Jahren war die Verfügbarkeit von Ressourcen in Europa und den USA in Schlüsselbereichen asymmetrisch – angesichts der Weltmachtstellung der Vereinigten Staaten und ihrer Verpflichtung zu Sicherheitsgarantien gegenüber ihren Bündnispartnern in der NATO. Heute wird die zentrale Stellung Europas in der amerikanischen Sicherheitsstrategie neu konfiguriert. Grund hierfür sind die sich verändernden globalen Herausforderungen in der Indo-Pazifik-Region. Diese Realität erfordert jedoch ein neues Denken über die Notwendigkeit, die transatlantische Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten, und nicht über Vorschläge für unilaterale Schritte.

Europa muss seine kollektiven Fähigkeiten bündeln, um seine eigene Sicherheit zu gewährleisten, was derzeit durch Russlands Krieg gegen die Ukraine unterstrichen wird. Die Stärkung der europäischen Dimension des Bündnisses erfordert eine größere Synergie zwischen NATO und EU, um die militärische, industrielle und finanzielle Zusammenarbeit und die Partnerschaften bei der Festlegung konkreter gemeinsamer Ziele zu maximieren, die sowohl konventionelle als auch nukleare Abschreckungsfähigkeiten umfassen. Diese Bemühungen werden das doppelte Ziel unterstützen, die europäische Sicherheit zu stärken und gleichzeitig die transatlantische Partnerschaft mit den Vereinigten Staaten in einer sich wandelnden globalen Arena aufrechtzuerhalten. Hier geht es nicht um eine Entweder-Oder-Entscheidung für Europa und die USA. Die Sicherheit des Bündnisses, das sein 75-jähriges Bestehen feiert, steht auf dem Spiel – nichts weniger.

“The security of the transatlantic alliance is not a zero-sum equation. It requires the combined strength of both sides of the Atlantic.”

Not a zero-sum equation

The security of the transatlantic alliance is not a zero-sum equation. It requires the combined strength of both sides of the Atlantic. For the past 75 years, the availability of resources in Europe and the US has been in key areas asymmetric given the global power of the United States, and its alliance commitment to security guarantees for partners in NATO. Today, the centricity of Europe in the equation of American security strategy is being reconfigured amidst shifting global challenges in the Indo-Pacific region. But that reality requires new thinking about the need to sustain transatlantic collaboration, not about proposing unilateral moves.

Europe needs to combine its collective capabilities to provide for its own security, now underscored by Russia’s war against Ukraine. Strengthening the European dimension of the alliance will require a greater synergy between NATO and the EU to maximize use of military, industrial and financial collaboration and partnerships in defining tangible shared goals, involving both conventional and nuclear deterrence capabilities. These efforts will support the twin objectives of strengthening European security while sustaining the transatlantic partnership with the United States within a changing global arena. This is not about either-or choices for Europe and the US. The security of the alliance, marking its 75th anniversary, is at stake – nothing less.

 

 

Marta Prochwicz-Jazowska, Deputy Head of Office and Policy Fellow, European Council on Foreign Relations

Marta Prochwicz-Jazowska, Deputy Head of Office and Policy Fellow, European Council on Foreign Relations

© privat

Osteuropäische Perspektive 1

„Die Rolle der EU als sicherheitspolitischer Akteur sollte an ihren Fortschritten und einem breiteren Verständnis des Begriffs „Sicherheit“ gemessen werden, nicht an Perfektion.“

Fortschritte und Potential für Verbesserungen

Trotz der Schritte, die die EU bereits unternommen hat, um ihre Rolle als Sicherheitsakteur zu stärken, gibt es noch Verbesserungspotenzial. Die politischen, institutionellen und finanziellen Maßnahmen der EU zur Unterstützung der Ukraine sollten an der Fähigkeit der EU gemessen werden, als Sicherheitsakteur zu agieren. Diese ist begrenzt. Wenn es um Sicherheit und Verteidigung geht, haben die Mitgliedsstaaten das Sagen. Die Rechte der Staaten auf souveräne Entscheidungen in der Außen- und Sicherheitspolitik werden auch in naher Zukunft einen wahrhaft europäischen Ansatz aushebeln. Die Fähigkeit der EU, ihre Rolle als sicherheitspolitischer Akteur zu erfüllen, sollte daher an ihren Fortschritten und einem breiteren Verständnis des Begriffs „Sicherheit“ gemessen werden, nicht an Perfektion.

Erstens hat sich die EU durch ihre koordinierte politische Reaktion auf die russische Aggression gegen die Ukraine von den Wunschträumen verabschiedet, durch Handel mit Russland Frieden und Zusammenarbeit zu erreichen. Der Abbruch der Beziehungen zu Russland hat die wirtschaftliche Sicherheit der EU erhöht und uns einer gemeinsamen strategischen Kultur nähergebracht. Es ist aber noch Luft nach oben. Die EU muss eine strategische Reserve für die Verteidigung Europas schaffen, die militärische Mobilität zwischen West und Ost erhöhen, die Position eines Verteidigungskommissars einrichten und den Mitgliedstaaten Anreize geben, gemeinsam militärische Ausrüstung zu beschaffen.

Darüber hinaus spielt die EU eine wichtige Rolle bei der Verbesserung der Sicherheit durch den Erweiterungsprozess: Sie stärkt die pro-europäische Entscheidung der Ukraine und bekämpft hybride Bedrohungen im Cyber- und Informationsraum. Allerdings sollte die EU Sicherheits- und Verteidigungsfragen und -prozesse besser in den Erweiterungsprozess integrieren. Die Beitrittskandidaten sollten schrittweise in die Finanzierungsmechanismen, die Europäische Friedensfazilität und die GSVP-Missionen einbezogen werden.

Momente des Wandels kommen in Zeiten der Krise. Der Krieg in der Ukraine hat die EU und ihre Ausrichtung tiefgreifend und unwiderruflich verändert. Letztendlich sollte die EU jedoch nicht versuchen, die NATO zu ersetzen. Vielmehr sollte sie diese ergänzen, den EU-Pfeiler in der NATO stärken und eine wirklich koordinierte Anstrengung in Fragen von gemeinsamem Interesse wie Innovation, militärische Mobilität, Cyberspace, Prioritäten der Verteidigungsplanung und Entwicklung von Fähigkeiten ermöglichen.

“The EU’s role as a security actor should be judged by its progress and a broader understanding of the term ‘security’, not perfection.”

Despite progress still room for improvement

Despite the steps that the EU has taken to enhance its role as a security actor, there is still room for improvement. The steps – political, institutional, budgetary – that the EU has taken to support Ukraine should be measured in relation to the EU’s ability to act as a security actor. That is limited. When it comes to security and defense: member states are in the driving seat. States’ rights to sovereign decisions in foreign and security policy will continue to trump a truly European approach in the near future. Thus, the EU’s ability to fulfill its role as a security actor should be judged by its progress and a broader understanding of the term “security”, not perfection.

Firstly, through its coordinated political response to the Russia’s aggression of Ukraine, the EU has abandoned pipe dreams of achieving peace and cooperation through trade with Russia. Cutting ties with Russia has increased the EU’s economic security and brought us closer to a common strategic culture. Yet there is room for improvement: The EU must create a strategic reserve for the defence of Europe, increase military mobility between West and East, create the position of defense commissioner and incentivize member states to jointly procure military equipment.

Furthermore, the EU plays a major role in enhancing security through the enlargement process through strengthening Ukraine’s pro-European choice or combatting hybrid threats in the cyber and information domain. However, the EU should better integrate security and defence issues and processes in the enlargement process. Candidate countries should be gradually included in funding mechanisms, European Peace Facility and CSDP missions.

Moments of change come at times of crisis. The war in Ukraine has deeply and irreversibly changed the EU and its direction. But ultimately, the EU should not try to replace NATO. Rather, it should complement it, strengthen the EU pillar in NATO and enable a truly coordinated effort on issues of common interest such as innovation, military mobility, cyberspace, defense planning priorities and capability development.

 

 

Aleksandra Kozioł, Ph.D., Senior Analyst, The Polish Institute of International Affairs

Aleksandra Kozioł, Ph.D., Senior Analyst, The Polish Institute of International Affairs

© PISM

Osteuropäische Perspektive 2

„Die EU hat ihre Stärke bewiesen, indem sie die Mitgliedstaaten ermutigt hat, zur Verteidigung der Ukraine beizutragen, und ihre Bemühungen koordiniert hat, aber ihre Rolle als Sicherheitsakteur hat ihre Grenzen und die GSVP blieb weitgehend unverändert.“

Stärke bewiesen, jedoch Grenzen bestehen

Zehn Jahre nach Erhalt des Friedensnobelpreises für „die Förderung von Frieden und Versöhnung, Demokratie und Menschenrechten“ sah sich die EU mit der Herausforderung eines konventionellen Krieges konfrontiert, mit dem in Europa nicht mehr gerechnet wurde. Als Reaktion darauf nutzte die Union auf innovative Weise bestehende Instrumente wie die Europäische Friedensfazilität zur Finanzierung von militärischer Ausrüstung und Munition oder eine Militärmission zur Ausbildung ukrainischer Soldaten und spielte so eine bisher noch nie da gewesene Rolle bei der militärischen Unterstützung der Ukraine, um sich gegen die russische Aggression zu wehren. Insgesamt hat die EU ihre Stärke bewiesen, indem sie die Mitgliedstaaten dazu ermutigt hat, einen Beitrag zur Verteidigung der Ukraine zu leisten, und indem sie ihre Bemühungen koordiniert hat, um die Unterstützung besser an die Bedürfnisse der Ukraine anzupassen.

Nach mehr als zwei Jahren wurde jedoch deutlich, dass die Rolle der EU als sicherheitspolitischer Akteur ihre Grenzen hat und die GSVP ungeachtet der beispiellosen Kriegsreaktion weitgehend unverändert blieb. Sicherheit und Verteidigung fallen nach wie vor in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, und die Wirksamkeit der EU-Politik in diesem Bereich beruht auf politischen Vereinbarungen zwischen den europäischen Hauptstädten. Sollte der bevorstehende Abschluss von Sicherheitsvereinbarungen mit der Ukraine den Umfang und die Dauer der militärischen Unterstützung spezifizieren, könnte die EU die Mitgliedstaaten erneut ermutigen, ihre Bemühungen zur Unterstützung der Ukraine angesichts divergierender nationaler Interessen und eines abnehmenden Gefühls der Dringlichkeit zu intensivieren. Eine solche Garantie der Vorhersehbarkeit hätte nicht nur positive Auswirkungen auf die Effizienz der ukrainischen Militärplanung (und den Gewinn des Krieges mit Russland), sondern auch auf das Wachstum des europäischen Verteidigungssektors, der nun endlich wieder an Bedeutung gewinnt.

Die sich verschlechternde Sicherheitslage hat deutlich gemacht, dass die Rolle der EU sowohl in geografischer Hinsicht als auch im Hinblick auf die Vertiefung der Integration wachsen wird. Zu den Schlüsselfaktoren, die angegangen werden müssen, gehören die gegen die Mitgliedstaaten gerichteten hybriden Aktivitäten Russlands, der wachsende Isolationismus der USA und die zunehmende globale Polarisierung. Wenn es der EU gelingt, diese Probleme anzugehen, wird sie als politisches Projekt für ein friedlicheres, demokratischeres und wohlhabenderes Europa Erfolg haben.

“The EU demonstrated its strengths in encouraging member states to contribute to Ukraine’s defence and in coordinating their efforts, but its role as a security actor has its limits and the CSDP remained largely unchanged.”

Proven strength, but limits remain

Ten years after receiving the Nobel Peace Prize for “the advancement of peace and reconciliation, democracy and human rights”, the EU was confronted with the challenge of conventional war, which was not anticipated to occur in Europe again. In response, the Union made innovative use of existing instruments, such as the European Peace Facility to finance military equipment and ammunition or a military mission to train Ukrainian soldiers, and thus played an unprecedented role in providing Ukraine with military assistance to defend against Russian aggression. Overall, the EU demonstrated its strengths in encouraging member states to contribute to Ukraine’s defence and in coordinating their efforts so that support better suited Ukrainian needs.

After more than two years, however, it became evident that the EU’s role as a security actor has its limits and that the CSDP remained largely unchanged irrespective of the unprecedented war reaction. Security and defence is still a national competence, and the effectiveness of the EU policies in this respect lies in political agreements made between European capitals. Should the upcoming conclusion of security commitments with Ukraine specify the scale and duration of military assistance, the EU could once again encourage member states to intensify their efforts to support Ukraine in the face of diverging national interests and a diminishing sense of urgency. Such a guarantee of predictability would have beneficial effects not only on the efficacy of Ukrainian military planning (and winning the war with Russia) but also on the growth of the European defence sector, which is now finally regaining its importance.

The deteriorating security situation has made it clear that the role of the EU is set to expand both geographically and in terms of deepening integration. Among the key factors that would need to be addressed are Russian hybrid activities targeted at member states, growing U.S. isolationism, and increasing global polarisation. If the EU succeeds in addressing these issues, it will thrive as a political project for a more peaceful, democratic, and prosperous Europe.

 

 

Kontakt

Leiterin: Andrea Rotter, M.A.
Außen- und Sicherheitspolitik
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