Dass Luther seine Thesen eigenhändig an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg geschlagen hat, ist historisch nicht gesichert. Vielmehr dürfte er sie seinen Briefen an geistliche Würdenträger beigelegt und sie als Universitätslehrer mit Studenten und anderen Gelehrten diskutiert haben, so dass sie auf diesem Weg Verbreitung fanden.
Die Reformationsjubiläen 1617 und 1717 wurden in dezidiert konfessioneller Abgrenzung begangen. 1817 und 1917 trugen sie betont nationale Züge und stellten den „deutschen Luther“ in den Mittelpunkt. Die Gedenkfeiern anlässlich des 500. Jahrestags 2017 setzten in mehrfacher Hinsicht einen völlig anderen Akzent: Erstmals wurde der Reformationstag weltweit begangen – und über Konfessionsgrenzen hinweg als gemeinsames Christusfest.
Über die Jubiläen hinaus wird das Reformationsfest alljährlich am 31. Oktober gefeiert – mit Gottesdiensten, aber auch mit Vorträgen. In der Praxis finden Gottesdienste meist an zentralen Orten und nicht in jeder Gemeinde statt. Dies gilt auch für Festreden, zu denen immer wieder Prominente aus Politik, Wissenschaft, Medien und Kirche gewonnen werden.
Der Reformationstag erinnert an Luthers zentrales theologisches Thema: die Rechtfertigung des Glaubenden allein aus Gottes Gnade. Martin Luther betont mit dem Apostel Paulus, „dass der Mensch gerecht wird ohne des Gesetzes Werke, allein durch den Glauben“ (Römer 3,28). Entscheidend ist die Gewissheit eines Menschen, dass er von Gott gewollt und geliebt ist. Er ist mehr als die Summe seiner Taten – auch seiner Fehlleistungen. Deshalb lautet Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland: „Die Würde des Menschen ist unantastbar.“ Jeder Mensch ist als solcher unverwechselbar und unendlich wertvoll.
Die damalige römisch-katholische Auffassung betonte, dass der Glaube erst an sein Ziel gekommen ist, wenn er auch gute Taten vollzieht. Luther bestreitet keineswegs den Zusammenhang von Glauben und Handeln. In der katholischen Position sieht er jedoch die Gefahr, dass der Mensch letztlich durch seine Werke gerecht wird. Er steht in der Gefahr, Gott nicht ganz zu vertrauen. Bringt er dieses Vertrauen nicht auf, wird er immer das Gefühl haben, dass er doch etwas für sich tun muss, um vor Gott gut dazustehen. Martin Luther hält dem entgegen: Der Glaubende muss sich nicht selbst retten, er ist schon gerettet. Das Handeln ist eine Folge dieser Einsicht – und damit zweckfrei.
Am 31. Oktober 1999 bestätigten in Augsburg der Lutherische Weltbund und der Vatikan durch die „Gemeinsame Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ einen „Konsens in Grundwahrheiten der Rechtfertigungslehre“. Damit wurde der Dissens um den Hauptstreitpunkt der Reformation beigelegt, wenngleich eine vollständige Übereinstimmung nicht erzielt werden konnte und die Klärung weiterer Themen – Lehre von der Kirche, Abendmahls- und Amtsverständnis – noch aussteht.
Heute ist der Reformationstag in einigen historisch protestantisch geprägten deutschen Bundesländern gesetzlicher Feiertag. Er wird in Deutschland von über 20 Millionen evangelischen Christen begangen.